16.06.22:
Kohlenhydrate sind zwar nicht essenziell, aber notwendig. Funktioniert es, sie aus der Ernährung zu streichen, um beispielsweise abzunehmen? Ja. Ist es aber optimal? Nein, zumindest nicht für einen längeren Zeitraum.
Unser Körper braucht eine gewisse Menge an Kohlenhydraten pro Tag. Ohne Glukose (Einfachzucker) würden wir in wenigen Minuten sterben und deshalb ist es ein notwendiger Nährstoff. Wäre unser Körper nicht in der Lage, sich Glukose durch verschiedene Mechanismen selbst zu verschaffen, so wäre die Menschheit schon längst ausgestorben.
Wie hoch ist der Kohlenhydratbedarf?
Im Durchschnitt verbraucht der menschliche Körper im Ruhezustand 7–8 g (0,1–0,12 g/kg Körpergewicht) Glukose die Stunde. Der Bedarf an Kohlenhydraten pro Tag beträgt also ca. 180 g (2,5–2,6 g/kg Körpergewicht) für eine nicht sportlich aktive Person mit 70 kg Körpergewicht.
Dieser Zucker wird unter anderem gebraucht, das Gehirn, Erythrozyten (roten Blutkörperchen) usw. zu versorgen. Nur das zentrale Nervensystem verbraucht bereits 120 g Glukose pro Tag.
Dieser Mindestbedarf von 180 g Glukose am Tag steigt natürlich mit zunehmender sportlicher Aktivität und Bewegung.
Glykogenspeicher
In unserem Körper befinden sich 350–500 g Kohlenhydratspeicher in Form von Glykogen, welche vorwiegend eine energetische Funktion besitzen. 250–400 g davon befinden sich in den Muskeln, 100 g in der Leber (durchschnittlich). Je mehr Muskelmasse man besitzt und je mehr sportliche Aktivität man betreibt, desto größer sind diese Glykogenspeicher.
Das Glykogen in den Muskeln ist der beste Treibstoff für intensives Training, da seine chemische Zusammensetzung dafür sorgt, dass es sofort für energetische Zwecke einsetzbar ist. Diese Kohlenhydratreserven werden nur lokal verbraucht, wenn der spezifische Muskel arbeitet.
Das Glykogen in der Leber hingegen ist weniger einsetzbar für energetische Zwecke, sondern notwendig den Blutzucker zu regulieren. Wird für einen längeren Zeitraum keine Nahrung mehr von außen zugeführt, sorgt das Glykogen in der Leber dafür, dass der Körper mit Energie versorgt wird.
Folgen von zu geringer Kohlenhydratzufuhr
Wer (auch als Nichtsportler) diese Mindestquote an Kohlenhydraten für einen längeren Zeitraum nicht zuführt, wird seinen Stoffwechsel verlangsamen – Denn je leerer die Glykogenspeicher sind, desto langsamer laufen Stoffwechselprozesse im Körper ab.
Vor allem wer mit dem Ziel trainiert, Muskelmasse aufzubauen, sollte nicht weniger als 180 g Kohlenhydrate pro Tag zu sich nehmen. Der energetische Status der Zelle wird nämlich auch von den Glykogenspeichern gesteuert. Je leerer die Speicher, desto mehr wird das Muskelwachstum beeinträchtigt. Dies gilt übrigens auch für Frauen.
Woher kommen die Kohlenhydrate, die ich nicht zuführe?
Viele Personen, vor allem Frauen, reduzieren die Kohlenhydrate viel zu stark, und kommen somit nicht einmal auf die Hälfte des oben genannten empfohlenen Mindestwertes. Wie ist dies aber möglich, wo unser Körper doch ca. 180 g Kohlenhydrate pro Tag benötigt, um zu überleben?
Im Fastenzustand (für die ersten 12–16 Stunden) kommen die nötigen Kohlenhydrate primär von den Glykogenspeichern der Leber, welche 7–8 g Glukose pro Stunde ins Blut abgibt.
Wer ständig zu wenig Kohlenhydrate zuführt, hat natürlich auch die Speicher in der Leber nur teilweise gefüllt. In diesem Fall wird primär Eiweiß verwendet, welches durch die Gluconeogenese in Kohlenhydrate umgewandelt wird.
Wenn man sich die Rechnung der Umwandlung von Kohlenhydraten in Eiweiß anschaut, so sieht man schnell, dass diese nicht rentabel ist. Sie erfolgt nämlich nicht 1:1, sondern um 1 g Glukose herzustellen, werden 1,75 g Aminosäuren benötigt. Vor allem Sportler, welche ihre Muskelmasse schützen bzw. aufbauen wollen, „verschwenden“ somit einen großen Anteil an Eiweiß.
Wird selbst Eiweiß in zu geringer Menge zugeführt, so werden körpereigene Aminosäuren (also Muskelmasse) für die Gluconeogenese verwendet. Ein ganzer Tag ohne essen verbraucht im Durchschnitt 150 g Eiweiß, um Glukose zu erzeugen.
Moral der Geschichte
Alle Wege führen nach Rom. Jeder kann selbst wählen, ob er die richtige Menge an Kohlenhydraten zuführen will, oder nicht. Was man aber nicht verhindern kann ist, dass der Körper 180–220 g Glukose am Tag verbraucht (ohne sportliche Aktivität).
Low Carb oder ketogene Diäten funktionieren zwar, jedoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass man sich dauerhaft mit einer solchen Ernährungsform gut fühlt. Warum?
Weil nicht die richtige Menge an Kohlenhydraten zuführen so ist, als würde man in Italien leben und Euro in Dollar wechseln, um diese nachher wieder in Euro eintauschen zu müssen, um sich etwas kaufen zu können. Es funktioniert, ist aber unbequem und wenig rentabel.
Wir sollten lernen, uns intelligent zu ernähren. Wir sollten lernen, unserem Körper das zu geben, was er benötigt. Kohlenhydrate einbegriffen.
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Quellenangabe bei Bedarf verfügbar
23.10.20:
Über wahrscheinlich kein anderes Thema in der Fitnessszene zirkulieren mehr Unwahrheiten als über Kohlenhydrate – Und das obwohl die wissenschaftliche Literatur klar darüber spricht. Gleich vorweg: Nein, Kohlenhydrate machen nicht dick. Den genauen Grund dafür findest du in diesem Beitrag.
Die Kalorienbilanz
Um zu verstehen, warum Kohlenhydrate an sich nicht dick machen, muss man zunächst das Prinzip der Kalorienbilanz verstehen.
Unser Körper verbraucht am Tag eine gewisse Anzahl an Kalorien. Das ist kurz zusammengefasst die Energie, welche er benötigt, um alle überlebenswichtigen Funktionen im Körper aufrechtzuerhalten und zugleich unsere Bewegungen im Alltag oder beim Sport auszuführen.
Jedes Lebensmittel hat (basierend auf der Zusammensetzung seiner Makronährstoffe) eine gewisse Kalorienanzahl, welche auf der Verpackung angeführt wird. Ein Gramm Kohlenhydrate/Eiweiß liefern durchschnittlich 4,1 kcal, hingegen ein Gramm Fett 9,3 kcal und ein Gramm Alkohol 7,1 kcal.
Eine Person, welche am Ende des Tages 2.000 kcal verbraucht hat, muss mindestens gleich viele davon aufnehmen, um das Körpergewicht zu halten bzw. zuzunehmen, oder weniger, um abzunehmen.
Dies ist auch der erste (und wichtigste) Grund, warum Kohlenhydrate, oder besser gesagt keiner der drei Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß) von sich aus dick macht. Denn am Ende des Tages (bzw. der Woche) zählt immer die Kalorienbilanz.
Habe ich zwei Wochen lang ein Kaloriendefizit von 500 aufrechterhalten (also jeden Tag 500 kcal weniger aufgenommen, als verbraucht), so habe ich ein kg Fett verbrannt (denn ein kg Fett besteht aus 7.000 kcal), egal ob mit oder ohne Kohlenhydraten.
Kohlenhydrate am Abend
Oft wird behauptet, in der Nacht (oder noch schlimmer, ab einer gewissen Uhrzeit) werden überschüssige Kohlenhydrate direkt in Fett umgewandelt, da sie nicht mehr verbraucht werden. Diese Behauptung ist aber schlichtweg falsch. Denn unser Körper hat während des Schlafens einen fast identischen Kalorienverbrauch, wie im Wachzustand (bei sitzender oder wenig anstrengender Aktivität) und verbraucht somit durchschnittlich 400-500 kcal.
Zudem ist die Vorstellung, dass überschüssige Kohlenhydrate direkt in Fett umgewandelt werden so nicht ganz korrekt und ein eher seltener Vorgang, welcher durchschnittlich nur 10 % unserer Fettreserven ausmacht. Das heißt also, wenn ich 10 kg an Fett zunehme, stammt davon durchschnittlich nur 1 kg von Kohlenhydraten.
Wenn wir Kohlenhydrate essen, müssen diese nämlich zunächst verstoffwechselt und auf eine Form gebracht werden, welche der Körper verwenden kann, also Glukose. Dieser Prozess „verbraucht“ 60% der Energie. Von diesen übrig gebliebenen 40 % werden abermals ca. 24 % (1/4) verbraucht, um den Zucker in Fett umzuwandeln (hingegen nur 5 %, um sie in Glykogen, also Energiespeicher, umzuwandeln).
Warum also nehmen so viele Personen ab, sobald sie die Kohlenhydrate am Abend streichen? Wie oben erklärt, ist dies dem Prinzip der Kalorienbilanz zu verdanken.
Denn was geschieht, wenn ich plötzlich meine Essgewohnheiten umstelle und am Abend die Kohlenhydrate streiche? Natürlich – Ich esse weniger und nehme somit weniger Kalorien auf. Dadurch kann eine negative Kalorienbilanz entstehen, welche für den Gewichtsverlust verantwortlich ist.
Würde man dieselbe Menge an Kohlenhydraten, welche man am Abend streicht, an einem beliebigen anderen Zeitpunkt des Tages zusätzlich einnehmen, so bliebe die Gesamtmenge an eingenommenen Kalorien unverändert. Man würde in diesem Fall nicht mehr abnehmen, obwohl die Kohlenhydrate am Abend gestrichen wurden.
Momentaner Gewichtsverlust
Die meisten Personen verwechseln effektiven Fettverlust mit einem momentanen Gewichtsverlust. Der Körper eines Erwachsenen besteht zu 60–70 % aus Wasser. Bei einem 70 kg Menschen macht dies durchschnittlich 45 kg aus. Alle Gewichtsschwankungen in kurzer Zeit hängen somit meistens mit dem Wasserhaushalt zusammen.
Beispielsweise befinden sich in unserem Körper 350–500 g Kohlenhydratspeicher in Form von Glykogen, welche unter anderem zuständig sind, den Körper mit Energie zu versorgen.
Reduziert man nun drastisch die Kohlenhydrate, so erfährt man innerhalb weniger Tage einen Gewichtsverlust von mehreren Kilogramm. Leider ist dieser Gewichtsverlust aber nicht mit Fettverlust gleichzusetzen. Ein Gramm Glykogen bindet nämlich 2,5–2,7 g Wasser. Das heißt also, wenn unsere Kohlenhydratspeicher voll sind, kommen ca. 1,5–2 kg unseres Körpergewichts aus Wasser und Glykogen zustande, welche natürlich verloren gehen, sobald die Kohlenhydratreserven aufgebraucht und nicht mehr nachgefüllt werden.
Ein Gramm Fett hingegen bindet nur 0,3 g Wasser. Das ist auch der Grund, warum unser Körper Fett als Energiereserve speichert, und nicht Kohlenhydrate. Würden wir 10 kg an Kohlenhydraten speichern, so würden wir 35–37 kg zunehmen. Bei 10 kg Fett hingegen „nur“ 13 kg. Außerdem liefert ein Gramm Fett mehr als das Doppelte an Energie, als Kohlenhydrate.
Das war auch schon der zweite Grund, warum oft geglaubt wird, Kohlenhydrate würden dick machen – Weil deren Verzicht zu schnellem Gewichtsverlust in wenigen Tagen führt, was aber, wie bereits erwähnt, nichts mit effektivem Fettabbau gemeinsam hat (dieser Prozess benötigt nämlich mehr Zeit), sondern auf den Verlust von Flüssigkeiten und Glykogen zurückzuführen ist.
Abschließend
Es sind nicht die Kohlenhydrate, welche uns dick machen, sondern eine positive Energiebilanz. Das heißt also, wenn ich am Ende des Tages (oder der Woche), mehr Kalorien aufgenommen habe, als ich verbraucht habe, werde ich zunehmen. Was, wie und wann ich esse, ist zweitrangig (aber trotzdem wichtig, vor allem auf die individuellen Möglichkeiten des Einzelnen im Alltag angepasst).
Der menschliche Körper braucht durchschnittlich 180 g Glukose (Kohlenhydrate) am Tag (ohne sportliche Aktivität), um lebenswichtige Organe wie das Gehirn mit Energie zu versorgen. Diese Menge für einen längeren Zeitraum nicht zuzuführen, führt meist unter anderem zur Verlangsamung des Stoffwechsels.
Grundsätzlich ist unser Körper imstande, hohe Mengen an Kohlenhydraten zu tolerieren (4–7 g/kg Körpergewicht), sofern wir nicht durch jahrelang andauernden falschen Ernährungsstil und Mangel an Bewegung diese Kapazität „verloren“ haben. Sollte dies der Fall sein, hilft ein Stoffwechsel-Neustart, welcher durch sportliche Aktivität und gradueller Erhöhung der Kohlenhydrate und Kalorien erreicht werden kann.
Das heißt aber nicht, dass man mit Kohlenhydraten maßlos übertreiben soll, ohne die Umstände einer Person zu kennen und zu berücksichtigen. Es soll die richtige Menge zugeführt werden, nicht mehr, und nicht weniger. Vor allem in einer Diät muss die Verteilung der Makronährstoffe (Eiweiß, Fette und Kohlenhydrate) individuell berechnet werden, um langfristigen Erfolg zu garantieren.
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Studien:
- Greater weight loss and hormonal changes after 6 months diet with carbohydrates eaten mostly at dinner.
- Scientists Dispel Late-Night Eating/Weight Gain Myth – Oregon Health and Science University
- Metabolic rate and fuel utilization during sleep assessed by whole-body indirect calorimetry
- Overnight and basal metabolic rates in men and women.
- Relationship between overnight energy expenditure and BMR measured in a room-sized calorimeter.